Homo_Phobia. Den Splitter im Auge gegen den Balken der Anderen.

Die aktuellen und wichtigen weil Solidarität vermittelnden Proteste gegen Putins Politik der Homophobie zum Anlass nehmend, melde ich mich nach Monaten der Schreibpause zurück. Denn wie wichtig diese Solidaritätsbekundungen auch sind, was mich stört – neben den Reproduktionen von Normativen – ist der sich meiner Wahrnehmung nach darin auch ausdrückende Nationalismus; der Versuch, die gewaltvolle Politik des Kremls auch dazu zu benutzen, Deutschland aufzuwerten – und als vermeintlich homophobiefreien Raum darzustellen.

Das ist nicht nur nicht wahr, sondern als Strategie auch nicht neu: anstatt sich der Rape Culture im eigenen Land zu stellen, wird auf die anderer Länder verwiesen (siehe Steubenville und Deutschland vs Indien, oder Hillary Rodham-Clintons Engagement für Frauen außerhalb der USA, und, um nur ein Beispiel zu nennen, ihr gleichzeitiges Schweigen ob der dramatisch wachsenden Fälle von vergewaltigten Frauen im US Militär – vergewaltigt von Kollegen); im Rahmen diverser Sexismus-Debatten wird auf Länder verwiesen, in denen es angeblich „viel schlimmer“ sei – nicht, um Solidarität oder Mitgefühl zu generieren, sondern um Protest gegen und Opposition zum Status Quo im eigenen Land im Keim zu ersticken.

Es ist aber noch mehr – nämlich gefährlich: Vergleiche sind gefährlich wenn sie relativieren und dazu führen sollen, eine Seite (wie beispielsweise ein Land) durch die andere (ein anderes) aufzuwerten. Zudem können wir das, was wir nicht als Teil der Realitäten anerkennen, nicht ändern; ferner lassen wir die, die von ihr berichten als unglaubwürdig allein im Regen stehen. Dieser Gefahr trotzend behaupte ich dies: Deutschland ist ein homophobes Land, wie nicht nur unsere Bundeskanzlerin vor zwei Tagen deutlich sichtbar machte. Mit ihrer Meinung steht sie nicht nur nicht allein, und sie deutet auch nicht nur institutionelle Formen von Diskriminierungen gegen gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften an; allein das füllt Bücher. Doch das will ich an dieser Stelle nicht thematisieren. Was mich hier viel mehr beschäftigt ist der alltägliche Sexismus, den frau erlebt, wenn sie sich mit ihrer Partnerin ihre Beziehung performend durch diese Landen bewegt. Und um möglichen Missverständnissen gleich entgegenzuwirken: ich spreche von Berlin.

Ich verweise auf einen Artikel, in dem die Autorin von sicheren Räumen in Zusammenhang mit Clubs und Partys spricht, die ohne Typen stattfinden. Ich frage mich jedoch, was mit dem Weg zur Party ist? Oder dem nächtlichen Heimweg? Oder dem nachmittäglichem Spaziergang zur Eisdiele? Wie in ihrem Artikel erwähnt, kenne auch ich die Privilegien, die mit einer Heten-Beziehung kommen können. Zu diesen gehörte, dass als ich mich mit ’nem Mann küssend vor der Eisdiele stand, kein Typ stehengeblieben ist um laut „Zugabe!!“ zu rufen; es ist auch keine Gruppe von mittelalten Herren neben uns stehengeblieben als wir knutschend am Hermannplatz standen, um zu fragen ob sie mitmachen könnten; es hat auch kein Typ versucht, meinen Knutschpartner oder mich anzufassen, bzw dies einfach getan während wir vertraut voreinander standen. Angeglotzt wurde ich davor zwar auch – aber eben nicht, wenn der Typ dabei war; und stehengeblieben, sich umgedreht um meinem Partner und mir hinterhergaffen zu können, ist auch keiner. Ich hatte auch keine Angst, meine Augen zu schließen während ich meinem Partner den nächtlichen Abschiedskuss auf dem U-Bahnhof gab, weil mir die Idee eines Übergriffs gar nicht in den Sinn kam; ich hatte keine Sorge darum, ob mein Partner wohlbehalten Nachhause kommt, nachdem er mit mir händchenhaltend gesehen wurde; ich hatte nicht das Gefühl der Scham darüber, meinen Partner und mich nicht bewahrt, geschützt und verteidigt zu haben gegen Angriffe von außen; ich habe nicht permanent meine Umwelt gescannt, um mögliche, potenzielle Angreifer zu identifizieren und mich vorbereiten zu können. All das ist nun anders: seit ca. fünf Monaten ist aus dem, was ich davor aus Erzählungen von Freundinnen oder Texten kannte, Teil meiner eigenen Realitäten geworden. Ich weiß, dass viele da draußen mit diesem Teil an Realität schon viel länger als ich umgehen müssen; ich weiß, dass viele da draußen noch ganz andere Erfahrungen zu berichten hätten. Ich weiß, dass ich aufgrund meines weißen Körpers und meiner cis-Identität, den damit einhergehenden Privilegien von weiteren Gewalterfahrungen verschont bin.

I’m the new kid in Queer Town, und ich merke immer wieder dass ich sehr, sehr schnell dazulernen muss. Denn noch fehlen mir mitunter die Worte, noch fühle ich mich oft unvorbereitet auf all die verbale und physische Gewalt, die frau mitunter ertragen muss, will sie sich und ihre Zuneigung für eine Frau eben nicht verstecken. Und auch das macht mich wütend: Ich kenne Sexismus seit knapp 20 Jahren; ich habe Strategien gelernt, diesen zu begegnen, mich zur Wehr zu setzen, zu protestieren. Doch das, was ich nun erlebe, ist eben eine andere Form von Sexismus, alte Strategien greifen zum Teil nicht mehr, und zudem fehlt mir die Routine, die – so muss ich befürchten – kommen wird …

Wie die Autorin des zuvor erwähnten Artikels denke auch ich, dass das Beschriebene viel mit Besitzdenken zu tun hat und der Idee, dass eine Frau einem Typen gehört wenn sie zusammen sind (weshalb das Arschloch, das einer Freundin von mir im Club auf ihren Po haute, sich dafür bei ihrem Freund entschuldigte …); sie ist sein Eigentum und wird damit zu forbidden territory – auf ihrem Planeten weht bereits jeMANNd’s Fahne. Nun haben Frauen, die miteinander liiert sind, offenkundig keinen Herrn, dem sie gehören, was für einige Schwachmaten so übersetzt wird, als dass die Frauen weiterhin potenziell zur Verfügung stehen („Mann kann’s ja mal versuchen …!“). Ich denke aber, dass es noch weitergeht, und die Ursachen für dieses sexistische Verhalten tieferliegend sind: Frauen sind eben erst durch ihre Beziehung zu einem Mann komplett und vollständige Menschen, weshalb sie ohne nicht respektiert werden weil nicht respektiert werden müssen – der alten Beauvoirschen Logik folgend von ihm als Subjekt, vom Maß aller Dinge – und ihr als Beigabe, als Zierde, sich nur auf ihn beziehend; ihm als Geist und ihr als Körper, der seine Berechtigung, seinen Wert und seinen Sinn nur durch ihn erhält.

Ferner wird lesbische Sexualität von vielen noch immer nicht als Sex verstanden („Wie macht ihr denn das so ganz ohne Schwanz?!“), als etwas, das für sich steht und sich selbst seinen eigenen Bezugsrahmen setzt. Nicht nur aufgrund heteronormativer Vorstellungen, sondern weil Frauen traditionell gar keine Lust zu haben haben – die Dichotomie von Hure vs. Heiliger ist ein Beleg dafür; anständige Frauen haben keine lustvollen, begehrenden Wesen zu sein. Wo soll die Lust, das Begehren also zwischen zwei Frauen herkommen? Die Vorstellung, dass Frauen Sex wollen, genießen und ihn selbstbestimmt leben, scheint noch immer beängstigend zu sein. Ganz schwierig scheint es zu werden, wenn Frauen diesen Sex miteinander leben wollen, und damit ihre Lebens-, Liebes- und Libidofähigkeit unabhängig von der Existenz eines Mannes deklarieren und deutlich machen; das Ende jeglicher männlicher Hegemonie. Konsequenterweise kann und wird lesbischer Sex deshalb auch nicht als etwas verstanden, das für sich selbst steht, das seine Bestimmung in sich selbst hat, weil Frauen diese Attribute noch immer nicht zugestanden werden. Sexismus drückt sich eben auch in den jeweiligen Diskriminierungen aus, die Frauen erleiden, die sich mit ihren Partnerinnen öffentlich als solche zeigen.

Ich finde es wichtig, Homophobie im Zusammenhang mit Sexismus nicht nach St. Elsewhere zu projizieren. Sie sind mitten unter uns, und einmal mehr so auch hier werden weder Ignoranz, Leugnen oder Schweigen sie besiegen. Ich spreche mich ausdrücklich für Solidarität und Unterstützung aus, aber eben nicht nur dann, wenn es um Ismen außerhalb meines Landes geht – vor allem nicht dann, wenn dies dazu gereicht hier herrschende Missstände zu bagatellisieren oder gar unsichtbar zu machen.


4 Gedanken zu “Homo_Phobia. Den Splitter im Auge gegen den Balken der Anderen.

  1. Danke für diesen tollen Post! Ich hab ihn sehr, sehr gerne gelesen und vieles darin wiedergefunden… vor ein paar tagen hab ich auf der facebookwall einer freundin diesen artikel gefunden: http://www.xojane.com/relationships/stop-saying-i-have-a-boyfriend?utm_medium=facebook
    finde der passt ganz gut ins thema. wenn wir alle aufhören würden zu sagen „sorry, hab nen boyfriend zuhause“ würde das queere leben vielleicht auch einfacher werden… ich werds ausprobieren 🙂

  2. hey, danke für den text! dieses phänomen. legitimiert nur, wenn ein mann dabei ist, gibt es auch außerhalb von beziehungen. da wird dann gekuckt ob frau (v.a. lesbe) auch männer als freunde hat, oder ob sie gewillt ist ihren arbeitsalltag mit männern zu verbringen. (während gleichzeitig die alte strategie bei einstellungen, des-ins-team-passens legitimisiert wird, wo es ok ist wenn jemand nur männer einstellen will).

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